Arturo Nicolodi, ein wahrlich großer Südtiroler!

Arturo Nicolodi

Arturo Nicolodi - Bildquelle: polis.bz.it

Ein Mann, der sich verdient Südtiroler genannt zu werden! Arturo Nicolodi wuchs in Branzoll auf, dem Heimatdorf des „Politologen“ Günther Pallaver. Während Pallaver immer wieder gegen die Interessen der Südtiroler arbeitet, trat in jenem Unterlandler Dorf vor vielen Jahren ein großer Mann, der heute leider in Vergessenheit geraten ist, für die Interessen der Südtiroler ein.

Vor ca. 2 Jahren war im italienischen und österreichischen Fernsehen ein Bericht, welcher über den 90-jährigen Branzoller erzählte. Es ging darum, dass Nicolodi im Zug täglich seinen Schlaf findet. Und zwar von Bozen nach Bologna und wieder zurück.

Dass sich Nicolodi aber vor vielen Jahren mehr für Südtirol eingesetzt hat, als so mancher anderer damaliger Deutsche Politiker, zeigt der nachfolgende Bericht aus dem SPIEGEL 36/1952 vom 03.09.1952, Seite 20. Lest selbst:

Italiens Staatsrat Innocenti fand am 13. August in Rom unter seiner Post einen von einem gewissen Arturo Nicolodi mit „cordialmente“ unterschriebenen Brief vor, der ihn freundlichst einlud, am 24. August um zehn Uhr vormittags in Bozens „Eden Kino“ zu erscheinen.

Innocenti ist Verfasser des jetzt geltenden Autonomie-Statuts für Südtirol und verantwortlicher Sachverständiger der italienischen Regierung für dieses Gebiet. Jener Nicolodi kitzelt ihn und die Regierung seit Jahren mit peinlichen Fragen über Recht oder Unrecht der italienischen Politik in Südtirol. Daß Nicolodi, Jahrgang 17, selbst Italiener ist, dürfte für die Regierung dabei das Peinlichste sein.

Am Sonntag, dem 24. August, um zehn Uhr war der Kino-Saal in Bozen von 400 Volksdeutschen aus Bozen und Meran, aus Brixen und Graun, aus Branzoll und Trient gefüllt. Nicolodi wartete noch eine Viertelstunde und stellte dann fest, daß weder der geladene Staatsrat Innocenti noch der ebenfalls eingeladene Kommissar der italienischen Regierung für Südtirol, Signor Bizia, noch der Regierungsvizekommissar Benussi, noch einer der Südtiroler Senatoren, Abgeordneten oder Regional-Räte anwesend war.

Feuerte Nicolodi unter tosendem Beifall der Vierhundert in die Versammlung: „Die eingeladenen Herren haben durch ihre Abwesenheit bewiesen, daß sie nicht den Mut haben, dem wichtigsten politischen und sozialen Problem unserer Region ins Gesicht zu blicken.“

Als die „großen Vier“ im September 1946 Südtirol endgültig Italien zusprachen, machten sie der italienischen Regierung die Zwangsauflage, dem Gebiet weitgehende Autonomie-Rechte zu gewähren. Die sahen dann in der Praxis so aus:

* Den 60 000 unter Hitler zwangsumgesiedelten deutschen Südtirolern wurde die Rückkehr gestattet, falls sie den Beweis erbringen konnten, in ihrer alten Heimat Wohnung und Arbeit zu finden. Über 50 000 alten Südtirolern ist dieser Nachweis bis heute nicht gelungen, da sie; um Wohnung und Arbeit zu finden, erst einmal einreisen müßten.

* Den unter Hitler noch nicht evakuierten Südtirolern wurde die deutsche Staatsbürgerschaft, für die sie seinerzeit optierten, wieder abgesprochen, aber auch die italienische Staatsbürgerschaft nicht wieder zurückgegeben. Etwa 1000 Personen fallen unter diese Bestimmungen. Man nennt sie heute in Südtirol die „schwarzen Schafe“.

Der römischen Rechtslogik gelang es nun, für diese tausend „schwarzen Schafe“ noch eine Sonderschur auszuknobeln. Dadurch wurden ihre Bürgerrechte um eine Stufe tiefer als die der Staatenlosen gedrückt.

Auf ausdrücklichen Wunsch und nach langwierigen Formalitäten stellt nämlich das Innen-Ministerium in Rom den Optanten eine Identitätskarte aus. Auf ihr ist fett vermerkt, daß dieser Paß nicht als Staatenlosen-Ausweis gilt.

Die offizielle Begründung dieser Maßnahme besagt, daß die Optanten deutsche Staatsbürger (was sie nach dem Autonomie-Status ausdrücklich nicht sind) und nicht Staatenlose seien. Von der alliierten Entscheidung, daß allen Volksdeutschen ihre frühere Staatsangehörigkeit automatisch entzogen wurde, wollen die italienischen Behörden nichts wissen. Sie haben damit den Dreh gefunden, den „schwarzen Schafen“ auch das Recht auf den Nansen-Paß zu nehmen, den alle Staatenlosen beanspruchen können.

Gegen alle diese Zustände opponiert nun der Europäer in dem Italiener Nicolodi. Es drehte ihm seinen europäischen Magen um, als er in seiner Heimat die Schikanen der italienischen Volkstumspolitik in Südtirol mit ansehen mußte. Seine europäische Reaktion ließ nicht lange auf sich warten.

Das Schicksal der Südtiroler, meinte Nicolodi, sei nur eine Variante des großen Schicksals, das auch die Basken und Schotten, die Elsässer und Saarländer, die Bretonen, Walliser, Wallonen und Triester erleiden müssen.

Also gründete Nicolodi Anfang 1948 die föderalistische Bewegung „Neues Europa“ in Südtirol und meinte, daß besonders dessen Bewohner für seine Ideen Verständnis haben müßten.

Ende September 1949 plante er einen Kongreß in Meran, an dem alle entrechteten und unterdrückten Europäer teilnehmen sollten. Zusagen kamen auch aus allen Richtungen in Bozens Neu-europäischem Büro an. Doch den italienischen Behörden paßte die Sache nicht. Nicolodi, Verteidiger aller Schikanierten, wurde über Nacht selbst zum Schikanierten. Zehn Tage vor Eröffnung des Kongresses wurde die Versammlung ohne jede Begründung von den italienischen Behörden des Europäers de Gasperi untersagt.

Einen größeren Dienst konnten sie Nicolodi wohl kaum erweisen. Als der Kongreß im November 1949 statt in Meran in Versailles abgehalten wurde, war Nicolodi der unbestrittene Held des Tages. Selbst der Bayer Baumgartner begab sich nach Versailles, um die unterdrückten Bayern mit den unterdrückten Schotten und den unterdrückten Südtirolern zu verbinden.

Unter Europas grüner Fahne organisierte Nicolodi nach seiner Rückkehr erneut den Krieg gegen die italienischen Behörden. Nur die Südtiroler blieben ihm gegenüber reserviert. Die zogen es vor, sich um die Südtiroler „Volkspartei“ zu scharen, um den Italienern der „Democrazia Cristiana“ so gut es ging Gleichgewicht zu bieten.

Die tausend „schwarzen Schafe“ fanden nirgends Anschluß. Ihnen wollte keiner helfen, obwohl sie als Propaganda-Argument allen sehr willkommen waren.

Kein Wunder, daß, als Nicolodi fünfzig dieser ehemaligen Optanten eingeladen hatte, um mit ihm zusammen einen europäischen Ausweg aus ihren Schwierigkeiten zu erforschen, alle fünfzig kamen.

Durch diesen ersten Erfolg ermuntert, wurden tausend Einladungen für den 18. Juni 1950 ausgesendet, und die fast vollständig erschienenen „schwarzen Schafe“ benützten die Gelegenheit dieser Zusammenkunft, um eine Zweckgemeinschaft zu gründen und auf Nicolodis Vorschlag drei offizielle Vertreter zu erwählen.

Den „schwarzen Schafen“ Joseph Anton Sanoner aus St. Ulrich, Franz Runge aus Meran und Franz Mayrgündter aus Bozen wurde das allgemeine Vertrauen ausgesprochen, und mit diesem Mandat ausgerüstet reisten sie am 27. September 1950 nach Rom, um bei der Regierung vorzusprechen. Am 16. Juni 1951 reisten sie zum zweitenmal nach Rom, und am 5. Februar 1952 traten sie sogar die dritte Reise an.

Die Resultate waren mager. Bei der dritten Reise wurden sie vom Staatsrat Innocenti angehört, der ihnen mit Entschiedenheit erklärte, daß das Optantengesetz beibehalten werden wird.

Nicolodi und die „schwarzen Schafe“ waren von dem Ergebnis enttäuscht. Am meisten aber erbitterte sie die Weigerung der bestehenden Parteien, ihnen in ihrem Kampfe beizustehen. Nicolodi war überzeugt, daß die Bevölkerung über den Fall der abgewiesenen Optanten anders denkt, als die von ihr gewählten Volksvertreter. Das mußte allerdings bewiesen werden, und die Gemeindewahlen, die am 25. Mai 1952  in der Ortschaft Branzoll abgehalten wurden, schienen dafür eine gute Gelegenheit zu bieten.

Neben der Liste der „Südtiroler Volkspartei“ und der Liste der „Democrazia Chistiana“ stellte Nicolodi den 1800 Bewohnern von Branzoll eine Liste „Neues Europa“ zur Verfügung. Die Wahlpropaganda wurde ihm durch die Polizei nicht leicht gemacht. In Branzoll selbst hatte er zwar die volle Freiheit, die im italienischen Wahlgesetz fest verankert war. Außerhalb von Branzoll fand aber die Polizei an seinen Flugzetteln sehr vieles auszusetzen und verbot ihm kurzerhand die Verteilung.

Nicolodi verteilte trotzdem, und die Polizei griff erfreut nach dieser Gelegenheit, um ihn für die Dauer des Wahlkampfes einsperren zu lassen. Nach § 113 der Polizeiverordnung aus der Faschistenzeit, deren Außerkraftsetzung vorsorglicherweise unterlassen wurde, und die der Polizei ein unumschränktes Recht der Zensur verleiht, erhob der deutschstämmige Staatsanwalt Dr. Dorner am 10. Mai in Klausen bei Bozen gegen Nicolodi die Anklage und bat den italienischen Richter Niutta, den Angeklagten exemplarisch zu bestrafen.

Richter Niutta paßte § 113 nicht. Er begnügte sich mit dem viel milderen § 650, der Geldstrafen in einfachen Fällen der Gehorsamsverweigerung gegenüber der Polizei vorsieht, sprach den Angeklagten von der Anklage nach § 113 frei und bat ihn, nach § 650 eine Geldstrafe von 20 000 Lira (134 DM) zu bezahlen. Die Wahlpropaganda, die Nicolodi aus dieser Strafe schöpfen konnte, war ihm 20 000 Lira wert, was ihn allerdings nicht hinderte, Berufung einzulegen.

Am Abend des 25. Mai 1952 wurde der große Sieg gefeiert. Zum erstenmal in Südtirols schmerzhafter Geschichte gaben Deutsche und Italiener ihre Stimmen für die gleiche Liste. Zum erstenmal in der Geschichte Südtirols passierte es, daß der Italiener Armando Brunori und der Deutsche Benjamin Scrinzi sowie zwei andere Gemeinderäte, von denen überhaupt niemand wußte, ob sie nun Italiener oder Deutsche sind, durch die gleichen Wähler ihr Mandat erhielten. Zwar wählten die Branzoller neben den vier „Neuen Europäern“ noch immer sechs „Südtiroler Volksparteiler“ und zwei Kandidaten der „Democrazia Christiana“, aber der Erfolg der Nicolodi-Leute blieb trotzdem eklatant. So eklatant, daß Brunori, Scrinzi und Genossen von Nicolodi angestachelt zum Postamt eilten, um Telegramme nach Bonn, Rom, Paris und Straßburg aufzugeben.

Den Parlamenten in Bonn, Rom und Paris wurde mitgeteilt: „Die Gemeinderäte von Branzoll, die im Namen der europäischen Fahne und des Föderalismus gewählt wurden, fordern die Vertreter des französischen, deutschen, italienischen Volkes auf, europäische Wahlen auszuschreiben.“

Aber auch die stimmenlosen „schwarzen Schafe“, von denen es nur ein einziges in ganz Branzoll gibt, wurden nicht vergessen. Ein weiteres Telegramm ging am gleichen Abend an das Parlament in Rom ab: „Die im Namen der europäischen Fahne und des Föderalismus gewählten Gemeinderäte von Branzoll ersuchen die Abgeordneten, den in Italien lebenden abgewiesenen Optanten als konkreten Beitrag zur Überwindung der sprachlichen und ideologischen Verschiedenheit die italienische Staatsbürgerschaft zu verleihen.“

Dieses letzte Telegramm empfand man in Rom als sehr unbehaglich. Der erste Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, daß schon am 22. Juni Nicolodi sein Rundschreiben Nr. 10 erließ und in Tausenden von Exemplaren zur Versendung brachte. Er proklamierte darin seine Absicht, bei den kommenden Novemberwahlen mit einer Deutsch-Italienischen Europaliste in ganz Südtirol zu kandidieren.

Die „schwarzen Schafe“ mußten in Südtirol verschwinden und man klügelte in Rom sehr lange, bis ein eleganter Weg gefunden wurde.

Am 1. Juli 1952 wurde den „schwarzen Schafen“ mitgeteilt, daß es ihnen freisteht, sich gleich allen anderen „Ausländern“, die seit fünf Jahren in Italien leben, um die italienische Staatsbürgerschaft zu bewerben. Bedingung: die noch laufenden Berufungen gegen die Ausbürgerung müssen zuerst zurückgezogen werden. Nur wer die „Gerechtigkeit“ seiner Ausbürgerung stillschweigend anerkennt, kann wieder eingebürgert werden.

Den Paradehieb schlug Nicolodi in der Versammlung vom 24. August: „Ihr würdet dadurch auf Lebensdauer als Verbrecher von Südtirol abgestempelt werden. Man will Euch opfern, um sich selbst durch dieses Opfer reinzuwaschen. Man will Euer Problem beseitigen, aber die Tatsache Eurer Schuld bestehen lassen. Neues Europa kann nur entstehen, wenn man die alten Rechnungen in Vergessenheit geraten lassen wird, und aus diesem Grunde fordern wir Eure Einbürgerung ganz automatisch.“

Einen richtigen „Knolleffekt“ gab es dann, als der am 29. März 1884 in Meran geborene „Ausländer“ August Knoll sein mit einem Franz-Josephs-Bart geschmücktes Kinn erhob, um eine kleine Schilderung vom alten Europa von sich zu geben. Zum schwärzesten aller schwarzen Schafe wurde er, sein Sohn Hugo und Tochter Lina am 30. April 1945, als einige Italiener vor seinem Haus um einige Stunden zu früh den Sieg gefeiert hatten.

Deutsche Soldaten eilten herbei und acht der Feiernden bezahlten die Feier mit dem Leben. August und Hugo erhielten je dreißig Jahre Kerker und die Tochter lebenslänglich, weil man sie beschuldigte, die Feiernden angezeigt zu haben. Die Tatsache, daß der am 28. Juli 1928 geborene Sohn Hugo am Tage der ihm vorgeworfenen Tat noch nicht einmal siebzehn Jahre alt war, störte die Gerichte nicht.

Vater Knoll saß drei Jahre ab und wurde dann amnestiert Sohn Hugo und Tochter Lina sitzen noch heute im Gefängnis – laut Knoll unschuldig.

Die italienische Presse benützte den Fall Knoll, um zu beweisen, daß Nicolodi Verteidiger von größten Verbrechen sei. Doch ob Knolls schuldbeladen sind oder ganz schuldlos, das interessiert Nicolodi nicht. Die Entscheidung und die Verantwortung überläßt er gerne den Gerichten. Was er verlangt, ist radikale Ausradierung der Vergangenheit, damit nicht auf diesem dankbaren Boden neue Blumen des Hasses von Morgen wachsen sollen. Unter diesem Motto bat er die versammelten „schwarzen Schafe“, ihn mit der Vertretung ihrer Interessen zu betrauen.

Zum Zeichen der Zustimmung flogen vierhundert rechte Hände in die Höhe. Nicolodi verließ die Versammlung und hastete zum Telegrafenamt, um Ministerpräsidenten Alcide de Gasperi, Villa Romani, Sella Valsugana (Südtirol) diese Neuigkeit mitzuteilen. De Gasperi verbringt dort seinen Sommerurlaub, aber trotz des Urlaubs bittet Nicolodi um eine unverzügliche Audienz, um den Wunsch der „schwarzen Schafe“ nach einer Lösung ihres Problems im europäischen Geiste zu verlangen. Nicolodis letztes Fragezeichen an den Europäer de Gasperi lautet, ob er für Europa spricht oder für Europa handeln will?

„Il Federalista De Gasperi visto da Bolzano – der Föderalist de Gasperi von Bozen aus gesehen“, steht auf den großen grünen Plakaten aufgeschrieben, in denen Nicolodi die Einwohner von Trient zu einer Massenversammlung aufruft. In dieser Massenversammlung wird er von den kommenden Novemberwahlen sprechen, die er zu gewinnen fest entschlossen ist. Nicolodi prophezeit: „Das Saargebiet soll durch den Willen der Regierungen scheineuropäisch werden – Südtirol wird durch den Willen der Bevölkerung europäisiert.“

Eine Antwort to “Arturo Nicolodi, ein wahrlich großer Südtiroler!”

  1. hannese Says:

    Hut ab vor solchen Leuten! Da kann sich z. B. auch der aktuelle Nord-Tiroler LH ein gutes Beispiel nehmen. Der muss ja endlich eine verantwortungsvolle, Tirol einende Süd-Tirol-Politik machen und keine das Land im Sinne etwa des italienischen Außenministers entzweiende. Beim Landesfestumzg hat sich dieser LH ja unglaublich verstellt, wie es aussieht.

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