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Folterberichte – Südtirol 1961

April 18, 2011
Verhafteter Südtiroler

Verhafteter Südtiroler

Der unterdrückte Folterbericht des Helmut Kritzinger

Der Sarner SVP-Obmann Helmut Kritzinger war nach nahezu 9monatiger Untersuchungshaft in den Gefängnissen von Bozen und Trient in provisorische Freiheit entlassen worden. Aus Angst vor neuerlicher Verhaftung war er am 12. September 1962 nach Österreich geflohen.

Kritzinger sollte später in Österreich politische Karriere machen und es bis zum Bundesratspräsidenten des österreichischen Nationalrates bringen, der zweithöchsten Position nach dem Bundespräsidenten.

Als Kritzinger nach Österreich geflohen war, lagen der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) bereits zahlreiche aus den Gefängnissen herausgeschmuggelte Folterberichte vor, deren Veröffentlichung der Parteiobmann Dr. Silvius Magnago jedoch unterdrückte, um sein Verhandlungsklima mit dem italienischen Innenminister Scelba nicht zu stören.

Unter dem Eindruck der Anschläge des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) hatte sich Rom bereit gefunden, mit der SVP über eine politische Losung der Südtirolfrage zu verhandeln. Letztlich sollten diese Verhandlungen zum Autonomie-„Paket“ von 1969 führen.

Am5. September 1961 fand in Innsbruck eine große Südtirolbesprechung statt, an welcher die Landeshauptleute Dr. Tschiggfrey (Nordtirol), Dr. Magnago (Südtirol) und der österreichische Außenminister Dr. Kreisky teilnahmen. Dort setzte Magnago durch, dass auch Wien und Innsbruck die aus Südtirol erhaltenen Folterunterlagen nicht an die Öffentlichkeit geben sollten. (Einzelheiten in: Helmut Golowitsch: „Für die Heimat kein Opfer zu schwer. Folter-Tod-Erniedrigung: Südtirol 1961 – 1969“, Edition Südtiroler Zeitgeschichte 2009, S. 323 ff)

Dieser Linie folgend wurden auch später Folterberichte unterdrückt und in amtlichen Archiven beerdigt. Darunter auch ein detaillierter Erlebnisbericht Kritzingers über seine Wahrnehmungen in den Gefängnissen von Bozen und Trient.

Er verfasste diesen am 5. Dezember 1962 für die Südtirolabteilung der Nordtiroler Landesregierung, das Referat „S“:

Der Bericht verschwand auf Wunsch Magnagos und auch Wiens hinter Aktendeckeln und wurde der Öffentlichkeit nie zugänglich gemacht.

Helmut Kritzinger:

„Wie Südtiroler von den Karabinieri gefoltert wurden.

Ich erzähle hier, wie Südtiroler Häftlinge gefoltert wurden. Es sind lauter Berichte, von den einzelnen Betroffenen mir geschildert. Viele Häftlinge sah ich mit Wundmalen, Quetschungen, Nadelstichen, Geschwulsten, Beulen und Brandwunden. Die Folterungen nahmen meines Wissens die Karabinieri vor. Außer einer kleinen Abteilung von geheimer Staatspolizei, ‚Questurini‘, die ihr Hauptquartier im Garni Eden in der Dantestraße hatten.

Die Karabinieri trugen größtenteils Uniform. Jene von Bozen standen unter dem Kommando von Hauptmann Boracci (38). Boracci erhielt im August 1962 die Versetzung nach der Insel Sardinien, nach Sassari, meines Erachtens eine Strafversetzung. In Meran hauste Hauptmann Marzollo. (45)

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